Alles beginnt 1906: da bezieht die bekannte Zigarrenfabrik Loeser & Wolff in der Varziner Straße eine Filiale in dem damals neu entstandenen großbürgerlichen Viertel Friedenau. Die Ladenausstattung im üppigen Stil der Gründerzeit – vorwiegend aus Eiche und Mahagoni – ist bis heute nahezu komplett erhalten. Kleine und große Geschichten ranken sich um dieses Kleinod Berliner Einzelhandelskultur. So ging schon die kleine Hildegard Knef, die gleich nebenan in der Bernhardstraße ihre Jugend verbrachte, hier für ihren Herrn Papa Tabak kaufen. Dies erzählt sie eindrücklich in ihrer Biografie „Der geschenkte Gaul“. Dort schreibt sie auch von einem jüdischen Ehepaar, das in den 20er Jahren den Laden übernommen hat. Ihre Geschichte ist aber so traurig, dass wir sie hier nicht erzählen möchten. Wer mehr erfahren möchte, kann alles in „Der geschenkte Gaul“ nachlesen.
Im Jahr 2005 taucht das erste Mal der jetzige Inhaber des Geschäfts, Martin Hesse, auf seinem Fahrrad vor dem alten Ladengeschäft auf. Es ist Liebe auf den ersten Blick! Der jetzige Süßkramdealer ist von den räumlichen Gegebenheiten so fasziniert, das er innerhalb von vier Wochen den kleinen nostalgischen Laden mietet, frisch herausputzt und ein exklusives Geschäft für feine Schokoladen, Kaffee und Geschenkartikel eröffnet.
2011 folgt die Ladenerweiterung. Die Zigarrenhandlung im Stil der Gründerzeit trifft nun auf ein modernes Ladenlokal gleich nebenan, das die Münchener Innenarchitektin Frederique Desvaux gestaltet hat. Durch einen Durchbruch im alten Mahagoni-Regal betreten die Kunden einer Zeitschleuse gleich den stylish-urban gestalteten zweiten Verkaufsraum. Beim Durchschreiten eröffnet sich dem Besucher eine jeweils völlig gegensätzliche (Einrichtungs-)Welt. Das Verkaufskonzept der beiden Ladeneinheiten unterstreicht diese Symbiose: während im Ladengeschäft Süßigkeiten nach dem Prinzip eines Krämerladens angeboten werden, laden im modernen Verkaufsraum auf minimalistischen Stahlregalen Geschenkartikel zum Stöbern ein.